Neues aus der BVfK-Rechtsabteilung:
Chance auf Widerruf verpasst
Kein Fernabsatz ohne Fernabsatzsystem!
Viele Händler fürchten das latente Risiko, welches ein dem gesetzlich geregelten Widerrufsrecht unterfallendes Geschäft birgt und sehnen sich daher nach Möglichkeiten, dieses interessengerecht einzuschränken. Auf der einen Seite möchte man natürlich nicht auf die Vorteile und die Reichweite des Online-Handels verzichten, auf der anderen Seite aber einen drohenden Wertverlust vermeiden, dem infolge vorschneller Kaufreue des Kunden in Verbindung mit einer Widerrufsmöglichkeit der Weg geebnet wird.
Dem Sinn und Zweck des Widerrufsrechts, nämlich die Ware mangels Besichtigung vor Ort in Ruhe in Augenschein nehmen und dann eine abschließende Entscheidung treffen zu können, sind gleichwohl Grenzen gesetzt. Zuletzt im Wochenendticker vom 28.09.2019 (Schauen Sie sich diesen Newsletter in Ihrem Browser an) hatten wir darüber berichtet, dass beispielsweise die Zulassung und das Führen des Fahrzeugs im Straßenverkehr einen vom Käufer auszugleichenden Wertverlust zur Folge hat.
Häufigster Anwendungsfall des Widerrufsrechts dürfte das sogenannte „Fernabsatzgeschäft“ sein, bei dem der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung fernkommunikativer Mittel zustande kommt. Eine beliebte Methode, das Risiko eines Widerrufs einzudämmen, ist die Aufhebung eines möglicherweise vorab geschlossenen Vertrags und die erneute Vertragsunterzeichnung vor Ort. Wie das LG Osnabrück (Az. 2 O 683/19) kürzlich entschied, ist dieser Schritt unter Umständen jedoch gar nicht notwendig!
Kein Widerrufsrecht, wenn Vertriebssystem nicht auf Fernabsatz ausgerichtet ist
In § 312c BGB, der den Begriff des Fernabsatzvertrags definiert, heißt es wörtlich:
„Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.“
Entscheidend kommt es also (nach der bisher noch nicht sehr verbreiteten Ansicht des LG Osnabrück) darauf an, ob das Vertriebssystem des Händlers primär den Versand der Ware vorsieht. Das leuchtet unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers ein, denn im Falle des ausschließlichen Versands von Ware über Onlineversandhäuser hat der Käufer keine Gelegenheit, die Ware vorab auf Tauglichkeit zu überprüfen. Anders beim stationären Autohandel, bei dem die Ware lediglich online beworben, aber nach Vertragsschluss nicht automatisch auch versendet wird. Wenn der Käufer das Fahrzeug ohnehin beim Händler abholen muss – eine optional mögliche Lieferung im Einzelfall dürfte hieran nichts ändern – so könnte er die Ware zunächst vor Ort begutachten und erst anschließend erwerben. Verzichtet er hierauf, so sollte ihm auch die Möglichkeit eines Widerrufs versagt bleiben.
Ähnlich sah es das LG Osnabrück, welches kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem annimmt, wenn die Ware persönlich übergeben wird. Einziger, aber in den meisten Fällen wohl leicht verdaulicher Wermutstropfen: Dem Händler obliegt die Führung des Nachweises über die Ausgestaltung Vertriebssystems.
Anmerkung der BVfK-Rechtsabteilung:
Die Entstehung eines Widerrufsrechts muss sich stets an dessen Zweck und damit einhergehend an den Umständen des Einzelfalls bemessen lassen. Befindet sich auf der Homepage beispielsweise ein Button zur sofortigen Bestellung und wird das Fahrzeug daraufhin unmittelbar an den Käufer ausgeliefert, dürfte die Rechtslage wohl anders zu beurteilen sein. Ebenso handelt in Bezug auf das Widerrufsrecht „gefährlich“, wer sich aufgrund des Vorgesagten in Sicherheit wiegt, obwohl er ausschließlich Bestellfahrzeuge vertreibt, die eben nicht vor Vertragsschluss angeschaut werden können. Dann dürfte ggf. auch die Notwendigkeit der Abholung des Fahrzeugs vor Ort keine Rolle mehr spielen.
Bei dem Urteil des LG Osnabrück handelt sich eben um eine Einzelfallentscheidung, die maßgeblich von den dort gegebenen tatsächlichen Umständen abhängt. Bestenfalls erkennen Sie darin für Ihr Vertriebssystem die Chance, gleichartig beurteilt zu werden. Es sei aber an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass das Vertriebssystem nach bisheriger Rechtsprechung vornehmlich anhand der Ausrichtung auf den per Fernkommunikationsmittel möglichen Vertragsschluss beurteilt, nicht aber auch eine zwingende Versandmöglichkeit vorausgesetzt wurde, um ein Widerrufsrecht auszulösen. Ob man sich in gleichgelagerten Fällen bedingungslos auf die Entscheidung stützen kann, bleibt daher fraglich.
Können Sie auf den sofortigen Vertragsschluss verzichten, kann ein vorsorglicher Hinweis darauf nicht schaden, dass der Vertrag erst mit Bestätigung des Händlers oder Ausführung der Lieferung zustande kommt (wie in den BVfK-Neuwagenverträgen enthalten), wenn er nicht sofort zustande kommt. Auf diese Weise ließe sich zumindest überzeugend begründen, dass der Vertrag eben nicht ausschließlich fernmündlich geschlossen wurde.
Aber auch ohne einen solchen Hinweis dürften Sie eine Widerrufserklärung bei entsprechender Ausgestaltung des Vertriebssystems zukünftig unter Umständen zurückweisen können. Jedenfalls so lange, bis der BGH sich abschließend mit der Frage auseinandergesetzt hat.
Ihre BVfK-Rechtsabteilung